Interview zu den Andromeda Nachrichten

Michael Schmidt: Hallo, Michael, heute möchte ich mal ein anderes Interview führen. Ich habe dich ja schon in früheren Zeiten zu deinem Verlag befragt, heute soll es mal ausschließlich um die Andromeda Nachrichten gehen.

Michael Haitel: Coole Idee. Vor allem, wenn das Interview auch außerhalb des SFCD erscheinen kann.




Michael Schmidt: Aktuell erscheint die Ausgabe 260. Eine stolze Zahl. Was sind eigentlich die Andromeda Nachrichten (AN), wer sind die Leser und wie hoch ist die Auflage des Magazins?

Michael Haitel: Die ANDROMEDA NACHRICHTEN sind eigentlich der Nachfolger des ANDROMEDA SF MAGAZIN. Das gab es zuerst, 1955, zur Gründung des SFCD. 1970 kamen dann die ANDROMEDA NACHRICHTEN No. 1 von Heinz-Jürgen Ehrig als Spin-off des ANDROMEDA SF MAGAZIN. Den genauen Grund kann man wohl heute nicht mehr so einfach nachvollziehen, aber möglicherweise gab es Probleme mit dem Erscheinungsmodus des ANDROMEDA SF MAGAZIN. Auf ähnliche Weise ist ja auch sfcd:intern entstanden; dazu aber später mehr, wenn es sich ergibt.
Die ANDROMEDA NACHRICHTEN sind eigentlich mal ein vereinsinternes Informationsblatt gewesen – wie heute sfcd:intern – und hat sich halt dann entwickelt und entwickelt und entwickelt. Schon zu meiner ersten Redakteurskarriere in den 80ern und Anfang der 90er gab es viele der heute bekannten thematischen Sparten, und seit 2006, seit ich die ANDROMEDA NACHRICHTEN wieder mache, hat sich daran nicht viel geändert. Sieht man von Kleinigkeiten ab: Hermann Urbaneks „LiteraTour“ ist mit ihm in Rente gegangen. Michael Schmidts – hoppla! – „Zwielicht“ ist dazu gekommen. Es gibt neuerdings eine „Science-Fiction“ (oder auch nur SF) genannte Sparte, die es so in vielen Jahren lustigerweise nicht gab. Und auch sonst versuche ich die ANDROMEDA NACHRICHTEN inhaltlich immer hübsch flexibel, bunt und abwechslungsreich zu halten.
Die ANDROMEDA NACHRICHTEN werden ansonsten hauptsächlich von den SFCD-Mitgliedern gelesen – nehme ich jedenfalls an. Das sind so 330 bis 340 Mitglieder, die Auflage der ANDROMEDA NACHRICHTEN liegt ansonsten bei 380 Exemplaren, weil es noch Belege und Promoexemplare für Verlage usw. gibt. Da die ANDROMEDA NACHRICHTEN in der Regel einen „verderblichen Inhalt“ präsentieren – aktuelle Infos vom März 2017 sind im März 2018 halt längst obsolet –, gibt es in der Regel keine Nachdrucke (ganz im Gegensatz zum ANDROMEDA SF MAGAZIN zum Beispiel). Insofern überschreiten wir normalerweise die 400er Auflage nicht. Bis 2016 waren die ANDROMEDA NACHRICHTEN auch noch Programmheft des BuchmesseCon im Oktober; für 2017 hat man sich seitens der BuCon-Veranstalter für eine andere Lösung entschieden. Die BuCon-ANDROMEDA NACHRICHTEN hatten jedenfalls zuletzt – 2016 – eine Auflage von 800 Stück.


Michael Schmidt: Wann erschien denn die erste Ausgabe der Andromeda Nachrichten (AN), wer war ihr Chefredakteur und kann man sie von der Erscheinungsform mit der heutigen Ausgabe vergleichen?

 Michael Haitel: Gnichel. Die erste ANDROMEDA NACHRICHTEN erschien im März 1970 und der Redakteur war Heinz-Jürgen Ehrig. Damals hatte die erste Nummer 300 Exemplare Auflage und sollte angeblich mindestens 6mal im Jahr erscheinen. So stand es jedenfalls vorne drauf. Das gute Stück hatte damals einen Umfang von vier (!) Seiten, xerografiert auf gelbem Papier im DIN-A4-Format. (Wer die aktuellen ANDROMEDA NACHRICHTEN-Ausgaben kennt, dem muss ich nicht erzählen, dass die heutigen Ausgaben irgendwo zwischen 80 und 120 Seiten A4 liegen, ein Farbcover und auch im Innenteil farbige Seiten haben.)

Michael Schmidt: Mit welcher Ausgabe bist du eingestiegen und wie kam es dazu?

Michael Haitel: Das ist schwer.
Ich habe zwei Karrieren als ANDROMEDA NACHRICHTEN-Redakteur gemacht. Die erste Runde habe ich mit ANDROMEDA NACHRICHTEN 101 im März 1986 begonnen, anfangs noch unter meinem damaligen Namen Michael Kempter und mit einem Commodore 128 und einer Brother-Typenradschreibmaschine mit passendem Commodore-Interface. Das waren noch Zeiten!


Meine letzte Ausgabe war dann die Nummer 138 vom Mai 1992. Da hieß ich schon wieder Michael Haitel und habe die ANDROMEDA NACHRICHTEN längst mit Word 4.0 und einem TrueType-Font-Paket von Softmaker auf einem seinerzeit gigantisch teuren HP Deskjet 500 (Kaufpreis 1800,- DEM!) gemacht.

Die zweite Karriere begann im Herbst 2006. Die Nummer 212 habe ich als Herausgeber zu verantworten gehabt, das Layout stammte von Armin Möhle. Die 213 habe ich alleine gemacht, die 214 hat Olaf G. Hilscher geliefert, das Layout war allerdings von mir. Und ab der 215 habe ich ANDROMEDA NACHRICHTEN dann alleine gemacht – bis heute. Das war dann ab Ende 2006, Anfang 2007.

Michael Schmidt: Gab es im Laufe der AN eigentlich gravierende Änderungen in Form von Erscheinungsbild und Inhalt?

Michael Haitel: Ja und nein.
Inhaltlich waren die ANDROMEDA NACHRICHTEN eigentlich immer fantastisch ausgelegt. Nicht SF pur, das wäre auch albern gewesen, aber natürlich gab es vor allem in der Anfangszeit einen eindeutigen SF-Schwerpunkt. Aber so wie sich die fantastische Szene – gleich, ob im Buch, im Heftroman, im Film, im Fernsehen, im Hörspiel oder wo auch immer – entwickelt hat, haben sich auch die ANDROMEDA NACHRICHTEN entwickelt. Heute gibt es eine starke, von Karl Aulbach als Redakteur bestens versorgte Fantasy-Sparte. Die altbekannte „LiteraTour“ von Hermann Urbanek ist irgendwann weggefallen, weil Hermann seine verdiente Rente angetreten hat; und hier hat es bislang keinen Nachfolger gegeben (was in meinen Augen die aktuellen ANDROMEDA NACHRICHTEN nicht wirklich abwertet). Das Thema Horror ist hinzugekommen, das weißt du als zuständiger Redakteur selbst am besten. Irgendwann habe ich mit den „Story:Files“ auch wieder Kurzgeschichten in den ANDROMEDA NACHRICHTEN eingeführt, die ewig lange nicht vertreten waren. Und ansonsten gab es viele neue Kleinigkeiten.
Und natürlich hat sich auch das Erscheinungsbild der ANDROMEDA NACHRICHTEN verändert. Klarer Fall.
In meiner ersten Phase erschienen die ANDROMEDA NACHRICHTEN im DIN-A5-Format 6mal im Jahr. Ich führte verschiedene Sachen ein: Beiträge wurden komplett abgetippt, anfangs über einen Commodore 128 und eine Brother-Typenradschraxmaxraxe J ausgedruckt und per Schnipp&Bepp in Form gebracht. Später gab es dann TrueType-Fonts, Word-4.0-Layout und Tintenstrahler-Vorlagen (auf f***ing geilem Papier namens „Conservation“ von Maro in Augsburg, die die ANDROMEDA NACHRICHTEN damals auch druckten). Die Titelbilder bekamen ein Farbelement (sprich: eine zweite Farbe jenseits des Schwarzen auf dem Weißen).
Seit Ende 2006 – das waren die ANDROMEDA NACHRICHTEN schon im A4-Format, wofür irgendjemand wüst kritisiert wurde; heute juckt das keinen mehr, und ich finde das A4-Format sehr schön und kreativitätsfördernd – gab es zunächst mal diverse Meinungsverschiedenheiten mit der damaligen Druckerei Barth irgendwo im Saarland, die sich vor allem als inkompetent und ahnungslos outete. Da gab es eine ANDROMEDA NACHRICHTEN-Ausgabe mit einem schwarz unterlegten Cover, bei dem mir die Druckerei den Vorwurf machte, ich wolle sie vorführen. Aber gut …
Als wir dann anfingen, mit Hille zu arbeiten – wo heute noch gedruckt wird –, ergaben sich natürlich auch neue Möglichkeiten. Ein durchgehend farbiger Umschlag, Farbseiten vorne und hinten für die Werbung – das bringt Werbeeinnahmen! –, ab und zu auch im Innenteil (in den letzten Monaten immer wieder mal). Am Layout habe ich herumgespielt und magazintypische Dinge eingeführt, wie z. B. Fotos, die bis zum Seitenrand rausgezogen sind und ähnliches mehr. Die vielen Details, die mir immer wieder einfallen, kann man schwer aufschreiben. Man muss sich einfach mehrere Ausgaben nacheinander anschauen, um die Entwicklung zu sehen.

Michael Schmidt: Eigentlich ist die AN ja ein SF Magazin, aber du hast das Spektrum erweitert. Erzähle doch mal wie es dazu kam und wie du dir die Zukunft des Magazins vorstellst?

Michael Haitel: Naja, das Spektrum über die reine SF hinaus hat sich eigentlich von selbst entwickelt. Wenn man als alleiniger Redakteur – ich darf mich Herausgeber und Chefredakteur nennen – die Produktion der ANDROMEDA NACHRICHTEN zu verantworten hat – euch Spartenredakteure juckt das ja nicht sooo sehr, obwohl ihr natürlich mindestens genauso wichtig seid wie ich – Material sammelt, dann kommt man immer wieder an Grenzen. Da kommen dann Texte, die gut sind, passend, aber nicht so hundertprozentig genau. Grenzbereiche, Fantastik ja, SF eher nicht. Was jetzt? Da muss man Entscheidungen treffen, und wenn sich so was immer wiederholt, dann wird halt irgendwann eine Sparte draus.
Es geht natürlich auch anders. Deine „Zwielicht“ genannte Horrorsparte ist nicht gewachsen, sondern war gewollt. Karl Aulbach in seiner Fantasysparte geht auch heute noch immer wieder auf Horror ein, gleich, in welcher Form er sie vorfindet. Letztlich war es eine logische Entscheidung, eine Horrorsparte einzuführen.
Anders war das mit der Science-Fiction-Sparte. Die hat irgendjemand irgendwann vor noch nicht allzu langer Zeit als fehlend moniert. Und im Grunde recht damit gehabt. Ergo: Seit einigen Monaten ordne ich gezielt Texte, die ich bekomme, der SF-Sparte zu, und ich würde mir wünschen, dass da mehr und mehr Zulauf stattfindet. Immerhin ist SF ja das eigentlich zentrale Thema auch der ANDROMEDA NACHRICHTEN.


Michael Schmidt: Runde Zahlen sind ja immer was Erhebendes. Was hat die AN 100 und die AN 200 dem Club geboten und wann genau sind diese Meilensteine erschienen?


Michael Haitel: Jetzt muss ich in mein DSF³A-Archiv (d. h. Deutsches Science-Fiction- & Fantasy-Fanzine-Archiv) gehen.
Die ANDROMEDA NACHRICHTEN 1 erschienen im März 1970, das hatten wir schon.
Die 50 stand nur auf dem Cover, es war in der Tat eine Doppelnummer – 50/51 – und die erschien im März 1978.
Von der 100 habe ich nur einen Titelbildscan, aber nachdem meine 101 im März 1986 erschienen ist, dürfte die 100 im Dezember 1985 fällig gewesen sein.
Die 150 dürfte im Januar 1994 fällig gewesen sein; das Impressum ist da ein wenig ungenau.
Und die 200 kam im Juli 2003 – übrigens noch im A5-Format, wie mir eben auffällt! –, mit einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Farbumschlag.

Die ganzen Jubiläen habe ich eigentlich nicht mitbekommen. Was heißt eigentlich – ich habe sie definitiv nicht mitbekommen. Die 100 hat ein Kollege gemacht, bevor ich mit der 101 eingestiegen bin – ich habe eben nur das Titelbild, kann den Inhalt gerade nicht anschauen – und die 200 stammte von Thomas Recktenwald, da waren es noch mehr als drei Jahre bis zu meiner „Rückkehr“.

Das einzige Jubiläum, das ich wirklich mitbekommen habe, war das 40jährige der ANDROMEDA NACHRICHTEN, das wir in der Ausgabe 230 gefeiert haben. Es war eine ganz, ganz schmale und winzigkleine Feier. Aber es war erkennbar, dass die ANDROMEDA NACHRICHTEN damals 40 Jahre alt geworden waren.
Michael Schmidt: Sucht die AN noch Mitarbeiter bzw. Beiträge?

Michael Haitel: Ja. Immer. Und es dürfen auch Nicht-SFCD-Mitglieder mitarbeiten. Texte, Rezis, Grafiken – ich nehme alles, was passt.

Michael Schmidt: Hast du eine Lieblingsnummer unter den AN?

Michael Haitel: Nein. Ich mag alle meine ANDROMEDA NACHRICHTEN. Bei manchen denke ich …, naja, eigentlich bei allen denke ich, dass ich es noch besser hätte machen können, aber im Endeffekt hat es in dem Moment, in dem sie fertiggestellt wurden, halt nicht sollen sein. Und so ist jede ANDROMEDA NACHRICHTEN-Ausgabe die beste zum jeweiligen Zeitpunkt. Und ich stehe dazu. Ich stehe auch zu den Fehlerchen, die sich manchmal haben einbauen lassen, ich stehe auch zu jedem Bockmist, den ich da veranstaltet habe. Es sind meine ANDROMEDA NACHRICHTEN, die ich gemacht habe, was sollte ich also anderes sagen?

Michael Schmidt: Und gab es auch einen richtigen Tiefpunkt in der Geschichte der AN?

Michael Haitel: Ich denke ja. Aber ich habe sie nicht miterlebt, oder ich habe sie nicht als Tiefpunkt erlebt. Ich erinnere mich daran, dass Hansi Mader in der Anfangszeit meiner ersten ANDROMEDA NACHRICHTEN-Karriere versucht hat, Einfluss auf meine Arbeit zu nehmen, was eine Weile recht anstrengend war, aber sich dann letztlich in Luft aufgelöst hat. Warum, das weiß ich nicht mehr. Vielleicht war es den Mitgliedern damals wichtiger, die ANDROMEDA NACHRICHTEN zu bekommen, als einen Hansi Mader als Vorsitzenden zu haben. (Wobei ich dazu bemerken möchte, dass Hansi Mader ein ganz toller Kerl ist, den ich sehr, sehr mag und bei dem ich mich über ein Treffen auf irgendeinem Con immer tierisch gefreut habe.)
Und natürlich gab es da in der Zeit ab Ende 2006 den Ärger mit Herbert Thiery, diesem saarländischen Sturbock, der vor allem seinen Dickschädel durchsetzen wollte, anstatt darüber nachzudenken, was man für den Verein wirklich gutes tun könnte, statt sinnlos Geld anzusparen, das dann letztlich nur irgendeiner Bank Profit gebracht hätte. Aber auch das ist lange her, und über Tote soll man nicht schlecht reden. Wenn Herbert und ich die Gelegenheit hatten, haben wir uns auch manchmal vertragen und uns verstanden. Nicht immer, aber das muss ja auch nicht sein, wenn es nicht sein soll. Und eigentlich hat das mit den ANDROMEDA NACHRICHTEN direkt gar nichts zu tun.
Nein, ich glaube, wirkliche Tiefpunkte in der Historie der ANDROMEDA NACHRICHTEN gab es nicht. Ich glaube auch, dass sie Erinnerung geblieben wären, weil nicht erscheinende Vereinspublikationen – gleich, ob ANDROMEDA SF MAGAZIN oder ANDROMEDA NACHRICHTEN – auf jeden Fall ein Zeichen für ganz andere Probleme im SFCD gewesen wären.

Michael Schmidt: Wenn du einen Wunsch frei hättest für die AN wäre das welcher?

Michael Haitel: Ich möchte noch die Nummer 300 machen. Die müsste rein rechnerisch im Januar 2028 fällig sein. Da bin ich dann knapp 69 Jahre alt. Das sollte eigentlich machbar sein. Und ich wünsche mir eine Nummer mit 200-300 Seiten Umfang, Vollfarbe, mit vielen Beiträgen von Vereinsmitgliedern, so etwa 50:50 zwischen alten und jungen Mitgliedern, einen richtigen Brecher im dann noch existierenden und florierenden deutschen SF-Fandom.
Wenn ich bis dahin die ANDROMEDA NACHRICHTEN noch machen darf, die dazwischen liegen, beschwere ich mich auch nicht J

Michael Schmidt: Ein Wort noch an die AN Leser und all anderen!

Michael Haitel: Gönnt euch die ANDROMEDA NACHRICHTEN. Wenn ihr SFCD-Mitglieder seid, tut ihr das womöglich sowieso. Wenn nicht und ihr überlegt: Seit der Ausgabe 252 kann man die ANDROMEDA NACHRICHTEN kostenlos downloaden – komplett in Vollfarbe, nebenbei bemerkt! Ihr findet sie unter www.sfcd.eu/download/pubs/an201-300/an999.zip, wobei ihr die 999 im ZIP-Dateinamen durch die aktuelle Ausgabennummer (ab 252 eben) ersetzen müsst.
Und wenn euch gefällt, was ihr seht, und ihr möchtet das Ganze als Printmedium haben, werdet SFCD-Mitglied – sfcd.eu ist eure Internetadresse, und je mehr von euch eintreten, umso eher lassen sich Vollfarbausgaben der ANDROMEDA NACHRICHTEN auch im Print realisieren.

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